Der Stadtteil

Die Räume von ragazza e.V. liegen im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg.
St. Georg zeichnet sich seit jeher durch seine kulturelle und soziale Vielfalt aus: die typischen Eigenschaften eines großstädtischen Bahnhofsviertels vereinend, findet sich hier eine Mischung aus Wohn-, Gewerbe-, Büro, Einkaufs- und Vergnügungsquartier mit einer ausgedehnten Kneipen- und Cafészene. Außerdem wird dieser Stadtteil auch durch Armut, sichtbare Obdachlosigkeit, von einer offenen Drogenszene und Prostitution geprägt. Dabei ist St. Georg Sperrgebiet – d.h. die Straßenprostitution wird als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet.

Trotzdem finden Sexarbeit und auch der Konsum legaler und illegalisierter Drogen teils für alle sichtbar auf der Straße und in den Hauseingängen statt. Gleichzeitig befindet sich St. Georg seit Mitte der 90-er Jahre in einem stadtteilpolitischen Aufwertungsprozess, der vorrangig durch ökonomische Interessen geprägt ist:  als Entwicklungsquartier im Rahmen des Programms „Aktive Stadtteilentwicklung“ wird St. Georg zunehmend saniert und modernisiert. Mietpreissteigerungen, ein Wandel der Bevölkerungsstruktur und des ansässigen Gewerbes sind die Folgen  dieses Prozesses.  Sichtbare Armut steht der Aufwertung des Stadtteils dabei scheinbar entgegen und die Tendenz, unerwünschte Bevölkerungsgruppen –
wie z. B. DrogengebraucherInnen und SexarbeiterInnen – systematisch aus ihrem Lebensraum zu verdrängen, steigt.

So fühlen sich viele BewohnerInnen des Stadtteils durch Armutserscheinungen und Prostitution gestört und bedroht und neue Gewerbetreibende der „gehobeneren“ Ökonomie fürchten um ihre Umsätze. Gleichzeitig verschärfen sich aber innerhalb dieses Prozesses die Problemlagen der Frauen, die der Straßenprostitution nachgehen: Straßenprostitution in diesem Quartier, die den drogengebrauchenden Mädchen und Frauen zur Geldbeschaffung auch für illegale Drogen dient, bedeutet ständige Gefahr. Die Gefahr von privaten Ordnungskräften oder der Polizei des Platzes verwiesen zu werden. Die Gefahr sich der Brutalität, Misshandlungen und Vergewaltigung durch Freier auszusetzen. Die Gefahr, aus der Not heraus auf Verlangen der Freier riskanten Sexualpraktiken (z.B. ungeschützter Sexualverkehr) nachzukommen. So werden durch den bestehenden Verdrängungsprozess und dessen Begleiterscheinungen soziale, psychische und gesundheitliche Risiken für die drogengebrauchenden und der Prostitution nachgehenden Frauen erhöht und auch ihre Doppelstigmatisierung manifestiert sich stetig.